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Rechtsanwalt Laqmani
8. Oktober 2023

Beschleunigtes Strafverfahren – morgens aufgefallen, Abends vor Gericht?

Die bereits vielzitierte Aussage des Generalsekretärs der CDU/CSU Carsten Linnemann, getätigt im Rahmen eines Interviews mit der BILD am Sonntag, soll auch diesen Beitrag über das beschleunigte Verfahren vor Strafgerichten einleiten: „Wer mittags im Freibad Menschen angreift, muss abends vor dem Richter sitzen und abgeurteilt werden.“

Die Debatte um Schwimmbad-Täter“ 

In der Hitze des Deutschen Sommers kochte auch die Debatte um die sogenannte Freibad-Strafbarkeit auf und führte unter anderen zu Forderungen (eher Vorschlägen), diese schneller und effektiver zu ahnden – mit Hilfe des Schnellverfahrens. Analog sei die beschleunigte strafgerichtliche Aburteilung auch bei anderen Arten der Kriminalität anzuwenden, so etwa bei Klimaklebern.  

Was genau wird unter der „Freibad Kriminalität“ verstanden?

Hierunter werden Aggressionsdelikte wie Körperverletzungen, Beleidigungen und co. von überwiegen Jugendlichen oder jungen Erwachsenen verstanden. Bei den Schlägereien bilden sich, deliktstypisch, Gruppen, das Geschehen kann schnell unübersichtlich werden. 

Existierende rechtliche Möglichkeiten

Anders als medial proträtiert ist das beschleunigte Verfahrung kein Novum und auch keine unausgereifte strafprozessuale Idee. Bereits jetzt hält die Strafprozessordnung (StPO) in den Paragrafen 417 bis 420 Möglichkeiten bereit Strafprozesse schneller abzuwickeln.

Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen eines „einfachen Sachverhalts“ und einer „klaren Beweislage“.  Außerdem muss die Tat vor Kurzem geschehen sein und die erwartete Freiheitsstrafe ein Jahr nicht übersteigen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann das zuständige Amtsgericht dann die Durchführung eines solchen Verfahrens anordnen.

Worin unterscheidet sich das beschleunigte vom gewöhnlichen Verfahren? Ein signifikanter Unterschied liegt wohl in den stark verkürzten Ladungsfristen und der Möglichkeit, die Anklage auch mündlich zu erheben. Auch können Vernehmungen von Zeugen, Tatbeteiligten durch das Verlesen von Urkunden, wie etwa Aussageprotokollen, ersetzt werden. Hierzu wird aber die Zustimmung des Angeklagten, Strafverteidigers (soweit vorhanden, vor dem Amtsgericht besteht grundsätzlich kein Anwaltszwang) und der Staatsanwaltschaft benötigt. 

Das Resultat: Die Hauptverhandlung wird häufig bereits innerhalb eines Termins durchgeführt und abgeschlossen.

Aktionismus oder echte Lösung?

Der Schrei nach unmittelbarer Bestrafung ist teilweise verständlich, insbesondere bei den Bildern, die auch zurecht Empörung auslösen. Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass die Sorgfältigkeit strafgerichtlicher Hauptverhandlungen ein wichtiges Gut unseres Rechtsstaates ist und ihren Sinn hat.

Fraglich ist, ob die Schnelligkeit eines Verfahrens wirklich mit seiner Qualität konkurrieren sollte. Unklar bleibt auch, ob die fordernden Stimmen ein neues, weitergreifendes (und noch kürzeres) beschleunigtes Verfahren verlangen oder aber die häufigere Anwendung der existierenden rechtlichen Möglichkeiten. 

Ein großer Kritikpunkt ist auch die Tauglichkeit der „Freibad-Delikte“ für die Anwendung eines beschleunigten Verfahrens. Denn sind nicht eben die unklaren Verhältnisse, die Gruppendynamik, der fragliche zeitliche und inhaltliche Ablauf eben charakteristisch für die „typischen“ Sachverhalte? Es fehlt also häufig an einer „klaren Beweislage“. Welche Reaktion welchem Geschehen vorangeht lässt sich doch vor allem bei Menschentrauben schwer entschlüsseln. 

Noch deutlicher wird das Problem der Anwendbarkeit, wenn wir einen Blick auf die Klima-Kleber Verfahren werfen: Hier fällt die juristische Beurteilung des Sachverhalts teilweise enorm auseinander, die Rechtsprechung ist sich uneins über die Bewertung der Taten und währen die Täterschaft häufig unproblematisch ist, kann von einem „einfachen Sachverhalt“ dennoch keine Rede sein. 

Exkurs: Jugendstrafrecht

Auch mit Blick auf das Jugendstrafrecht, welches wohl vorwiegend bei den „Freibad-Tätern“ anzuwenden ist, ist die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens schlichtweg nicht möglich.

Das Jugendstrafrecht ist ein Teilgebiet des Strafprozessrechts, das sich speziell an jugendliche und heranwachsende Straftäter richtet. Der Pädagogik (im Sinne von Erziehung) kommt hier eine erhöhte Rolle zu: Ziel des Jugendstrafrechts ist es, die Jugendlichen zu erziehen und sie vor dem Begehen weiterer Straftaten abzuhalten, sie sollen durch die Maßnahmen auf den richtigen Weg gebracht werden (vgl. § 2 Abs. 1 JGG).

Daher übernimmt auch die Jugendgerichtshilfe im Strafverfahren eine wichtige Aufgabe für die Jugendlichen und Heranwachsenden und vertritt die pädagogischen, sozialen und fürsorglichen Ansichten und Interessen. Der Jugendgerichtshilfe kommen mehrere Rechte zu, so unter anderem das Recht auf Anwesenheit und Anhörung in der Hauptverhandlung sowie ein Mitwirkungsrecht im gesamten Strafverfahren. Dies ist auch der Grund, weshalb hier die Durchführung des beschleunigten Verfahrens gesetzlich in § 79 Abs. 2 JGG ausgeschlossen ist.

Es wird klar: Das Verlangen nach mehr Schnellverfahren für „junge - migrantische - Täter“, womit wohl jugendliche und heranwachsende Tatverdächtige gemeint sind, läuft bereits aus rechtlicher Sicht ins Leere.

Im Übrigen: Die schnelle Abwicklung eines Strafverfahrens ist – für alle Beteiligten – wichtig und bereits Teil des Strafprozesses: Aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG ergibt sich das Gebot der beschleunigten Durchführung eines Strafverfahrens. Der Angeklagte muss demnach innerhalb einer angemessenen Frist vom zuständigen Gericht angehört werden. 

Insgesamt ist die Forderung nach schnellerer Ahndung von Straftaten durch häufigere Anwendung des beschleunigten Verfahrens (oder dessen Erweiterung) bei genauerem Hinsehen weniger eine Frage des Rechts, sondern der Politik. Die Forderung mag für Betroffene und Verärgerte durchaus nachvollziehbar und förderungswürdig sein, lässt aber hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen Fragen und Zweifel an der Machbarkeit und Sinnhaftigkeit offen. 

Dem obigen Zitat des Generalsekretärs Linnemann ging folgender Satz voraus: „Es braucht Schnellverfahren gegen Gewalttäter, das Justizsystem muss entsprechend organisiert werden.“ 

Zeiht man aus den obigen Erkenntnissen und juristischen Hintergründen ein Resümee, wird noch einmal deutlich: Das Justizsystem muss nicht „entsprechend“ organisiert werden, die Möglichkeiten bestehen und kommen in den passenden Fällen zur Anwendung – wenn die Voraussetzungen vorliegen. 

Verteidigung im beschleunigten Verfahren

Die Verteidigung der Angeklagtenrechte ist vor allem im Schnellverfahren wichtig und sollte trotz der Besonderheiten der Verfahrensart nicht untergehen. Steht eine Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten im Raum, muss das Gericht gemäß § 418 Abs. 4 StPO dem Angeklagten einen Pflichtverteidiger bestellen, soweit er noch keine anwaltliche Vertretung hat.

Die Staatsanwaltschaft hat ein beschleunigtes Verfahren beantragt?
Wir verteidigen Sie sowohl im beschleunigten Verfahren als auch im regulären Strafprozess fachlich kompetent, menschlich und transparent. Kommen Sie jederzeit auf uns zu, ganz gleich, in welchem Verfahrensstand Sie sich befinden und was Ihnen vorgeworfen wird – wir machen uns für Ihr Recht stark. 
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