Neben einer Geldstrafe ist das Fahrverbot wohl eine der empfindlichsten Strafen, wenn es um die Sanktionierung von Straßenverkehrsverstößen geht. Wann werden Fahrverbote verhängt und wann sind diese unzumutbar?
Das Fahrverbot ist in § 25 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) geregelt: Wenn gegen den Betroffenen wegen einer grob oder beharrlich pflichtwidrig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit eine Geldbuße festgesetzt wird, kann gegen den Kraftfahrzeugführer ein Fahrverbot von bis zu drei Monaten verhängt werden.
Eine Aufzählung von typischen Verstößen, bei denen regelmäßig ein Fahrverbot verhängt wird, findet sich auf der Grundlage des § 26a StVG in § 4 Abs. 1 und 2 BKatV (der Bußgeldkatalog-Verordnung). Bei diesen Fällen wird grundsätzlich das Vorliegen einer groben oder beharrlichen Pflichtwidrigkeit vermutet. Dies erleichtert die Begründungspflicht beim Verhängen des Verbots.
Werfen wir einen genaueren Blick auf die grobe Pflichtwidrigkeit: Diese setzt einerseits objektiv die besondere Gefährlichkeit des Verstoßes, den sog. Erfolgsunwert, und andererseits subjektiv das gesteigert nachlässige, leichtsinnige oder gleichgültige Verhalten, den Handlungsunwert, voraus. Bei einer beharrlichen Pflichtverletzung muss wiederum der Erfolgsunwert nicht grob, dafür aber wiederholt begangen vorliegen. Der Handlungsunwert muss erkennen lassen, dass es an der erforderlichen rechtstreuen Gesinnung und der notwendigen Einsicht bezüglich zuvor begangenen und geahndeten Unrechts fehlt, welche für die Teilnahme am Straßenverkehr notwendig ist.
Die Vermutungswirkung entfällt, wenn eines dieser beiden Elemente fehlt. Wenn dem Fahrer beim Begehen der Ordnungswidrigkeit „nur“ ein normales Augenblicksversagen und eben keine rechtsuntreue Gesinnung nachgewiesen werden können, ist von einem Fahrverbot abzusehen.
Aber: Weitere Prüfungen des Einzelfalls, die zum Ausschluss des Fahrverbots führen könnten, sind nur dann möglich und erforderlich, wenn entsprechende Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall vorliegen. Dem ist nicht so, wenn es sich sowohl objektiv als auch subjektiv um einen Regelfall handelt.
Handelt es sich beim zugetragenen Sachverhalt nicht um einen Regelfall, greift der erste Absatz des § 25 StVG: Die Voraussetzungen des Erfolg- und Handlungsunrechts müssen erst positiv festgestellt werden, da hier keine Vermutungs- oder Regelwirkung besteht.
In ihrer Mobilität eingeschränkt zu werden stellt für viele Menschen ein gravierendes Problem dar. Daher stellt sich natürlicherweise die Frage, ob und wann ein Fahrverbot überhaupt erforderlich ist. Denn es besteht auch bei einem Regelfall die Möglichkeit, von der Anordnung eines Fahrverbots abzusehen, wenn dies zur erzieherischen Einwirkung auf den Betroffenen nicht erforderlich ist. Diese Wirkung kann auch durch eine Erhöhung des Bußgelds erreicht werden. Vom Fahrverbot kann ebenfalls abgesehen werden, wenn der Fahrer selbst erheblich verletzt wurde, während er die Ordnungswidrigkeit beging.
Liegen zwischen der Tat und der Ahndung eine erhebliche, temporäre Verzögerung (regelmäßig zwei Jahre) und hat die Maßnahme daher ihren erzieherischen Sinn verloren, kann auch hier das Fahrverbot entfallen. Allerdings darf der Betroffene in der Zwischenzeit nicht erneut in Erscheinung getreten sein und die Verzögerung nicht auf seinem Verhalten beruhen.
Wann ist eine zeitliche Verzögerung dem Betroffenen anzulasten? Eine Verschleppung wird angenommen, wenn der Termin zur Hauptverhandlung auf Wunsch des Betroffenen oder seines Anwalts verschoben wird und der Betroffene mehrmals ohne eine vorherige Entschuldigung zu Verhandlungsterminen nicht erscheint. Dem ist nicht so, wenn er oder sein Verteidiger von ihren prozessualen Rechten Gebrauch machen und bspw. Rechtsmittel einlegen.
In bestimmten Konstellationen ist die Konsequenz des Fahrverbots, die den Arbeitnehmer trifft, besonders hart. Hierzu zählt insbesondere die Existenzgefährdung des Betroffenen. Dies ist anzunehmen, wenn die Anordnung zum Verlust des Arbeitsplatzes führen würde und die drohende Gefährdung der Existenz nicht durch anderweitige, zumutbare Maßnahmen abgewendet werden kann.
So wird nicht vom Fahrverbot abgesehen, wenn der Arbeitnehmer dieses während seines Urlaubs verbüßen könnte. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass ein Vollstreckungsaufschub bis zu vier Monaten gewährt wird. Gleiches gilt für Freiberufler und Selbstständige.
Das Amtsgericht Mainz entschied in seinem Urteil vom 09.07.2020, dass eine wirtschaftliche Gefährdung durch ein Fahrverbot fraglich sei, wenn der Betroffene angibt, er sei wegen der Corona-Pandemie zwei Monate nicht im Stande gewesen zu arbeiten, seine Existenz dennoch nicht gefährdet war und er darüber hinaus diese Zeit nicht dazu nutzte, das Fahrverbot wahrzunehmen.
Sie sehen also, wie restriktiv die Gerichte entscheiden, wenn es um das Absehen eines Fahrverbots bei einem Regelfall des § 4 Abs. 1 und 2 BKatV geht. Denn selbst wenn eine Existenzgefährdung vorliegt, kann die Anordnung erhalten bleiben, wenn diese zur Einwirkung auf den Betroffenen erforderlich bleibt. Dies kann bei besonders schwerwiegenden Verkehrsverstößen etwa der Fall sein.
Übrigens: Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist– rechtlich – nicht unzumutbar.
Sie sehen sich mit dem Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit konfrontiert und ein Fahrverbot steht im Raum? Dann gilt es, schnell und richtig zu handeln. Auch bei Fällen, in denen regelmäßig ein solches Verbot angeordnet wird, müssen die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Deren (nicht-) Bestehen müssen Sie jedoch nicht allein beweisen.