Sowohl das Landgericht (LG) Arnsberg als auch der Bundesgerichtshof befassten sich mit der Frage, was es zur Sperre der (Wieder-) Erteilung der Fahrerlaubnis auf Lebenszeit benötigt und was hierfür nicht ausreicht. Die Ergebnisse und den zugrundeliegenden Fall sehen wir uns in den folgenden Zeilen gemeinsam an.
Tatsächlich kann die Erteilung der Fahrerlaubnis nach § 69a Abs. 1 S. 2 StGB lebenslang gesperrt werden. Dies stellt eine harte Maßnahme und einen großen Einschnitt in die Mobilität des Betroffenen dar, weshalb es einer sorgfältigen Prüfung bedarf und in der Regel nur bei schwerster Verkehrskriminalität hierauf zurückgegriffen wird.
„Typische“ Fälle stellen ständige Trunkenheitsfahrten, das Verwenden des Fahrzeugs als Tatmittel gegen Andere oder weitere Sachverhalte, die einen Hang zur beunruhigenden Verkehrsdelinquenz aufzeigen, dar. Die Anführungszeichen sollen an dieser Stelle der Verdeutlichung dienen, dass es sich stets um Einzelfallentscheidungen handelt.
Eine Kern-Voraussetzung besteht darin, dass die Sperre von fünf Jahren, also die gesetzliche Höchstfrist, zur Abwendung der vom Täter drohenden Gefahr nicht ausreichend ist.
Das LG Arnsberg verurteilte einen Angeklagten im September vergangenen Jahres (Az. II – 4 Ks 28/22) wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr zu einer 14-jährigen Haftstrafe und ordnete darüber hinaus die Entziehung der Fahrerlaubnis, des Führerscheins sowie eine lebenslange Sperre für die (Wieder-) Erteilung der Fahrerlaubnis an.
Doch was war geschehen?
Die Beziehung des Angeklagten und seiner Ehefrau, mit der er einen gemeinsamen Sohn T. hat, fand nicht zuletzt wegen seines übermäßigen Alkoholkonsums und seiner unbegründeten Eifersucht im September 2021 ihr Ende. Die darauffolgende räumliche Trennung des Paares wurde durch die aggressive Art des Angeklagten zusätzlich belastet: Er drohte und beleidigte seine Frau, welche im Prozess als Nebenklägerin auftrat, massiv. Den Tagesablauf seiner Familie kennend beobachtete der Angeklagte am Tattag, wie seine Ehefrau und ihr Bekannter, der ebenfalls als Nebenkläger an der Verhandlung teilnahm, den Sohn zum Tanzunterricht brachten.
Der Angeklagte nahm an, dass es sich bei dem Bekannten um den neuen Partner der Nebenklägerin handelte, der Umgang mit seinem Sohn pflegen durfte, der ihm hingegen aufgrund seines Verhaltens verwehrt blieb.
Als die Ehefrau und der Nebenkläger T. wieder vom Training abholten, fasste der Angeklagte den Entschluss, seine Frau auf dem Heimweg abzupassen, ihr auf der Bundesstraße entgegenzukommen und eine schwere Kollision herbeizuführen, durch welche alle Insassen sowie er selbst ums Leben kommen sollten.
In einer langgezogenen Linkskurve begegnete der Angeklagten erwartungsgemäß seiner Frau, ihrem Beifahrer und seinem Sohn in ihrem Fahrzeug. Der Angeklagte fuhr mit 100 km/h auf die Gegenfahrbahn, die Nebenklägerin konnte nur teilweise ausweichen und es kam zur Kollision. Alle Beteiligten überlebten, trotz teils schwerer Verletzungen. Das Gericht sah die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe bestätigt.
Gegen das Urteil des Landgerichts wandte sich der Angeklagte mit einer Revision, weshalb sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Sachverhalt beschäftigte (Beschl. v. 15.08.2023 - 4 StR 514/22). Der BGH bestätigte das Urteil der Vorinstanz hinsichtlich der angenommenen Delikte, nur der Ausspruch über die lebenslange Sperre für Erteilung der Fahrerlaubnis könne so nicht bestehen bleiben.
Das Landgericht habe dem besonderen Begründungserfordernis, welche es zur Verhängung einer lebenslangen Sperre braucht, nicht ausreichend Rechnung getragen. Das Landgericht stütze sich allein darauf, dass aufgrund der dissozialen Einstellungs- und Verhaltensmuster des Angeklagten ein Ende seiner fehlenden Eignung innerhalb der gesetzliche Maximalfrist von fünf Jahren nicht zu erwarten sei: Diese Sperrdauer reiche zur Abwehr der von ihm drohenden Gefahr nicht aus. Allein sein Verhalten stelle bereits schwerste Verkehrskriminalität dar und seine erheblichen Charaktermängel begründeten zusätzlich die Ungeeignetheit zum Führen von Pkws im Straßenverkehr.
Diese Begründung sei laut BGH jedoch nicht ausreichend. Vorherige Verurteilungen wegen Verkehrsdelikten lägen beispielsweise nicht vor, dies hätte in der Urteilsbegründung des Landgerichts jedoch berücksichtigt werden müssen.
Bei der Beurteilung, ob § 69 Abs. 1 S. 2 StGB angewandt werden kann, kommt es vor allem (auch) auf die voraussichtliche Ungeeignetheit des Täters an.
Die Übersteigung der gesetzlichen Höchstfrist von fünf Jahren soll nur dann zum Einsatz kommen, wenn diese zur Abwehr der vom Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Dabei ist die Schwere der Tatschuld nicht der hauptsächliche Faktor, nach welchem sich die Beurteilung richtet, sondern kann (nur) Hinweise auf die charakterliche Unzuverlässigkeit des Täters und den Grad seiner Ungeeignetheit geben. Die Gewichtung der urteilsbildenden Faktoren mit Blick auf die Länge der Sperrfrist sei daher nicht genügend berücksichtigt worden.
Zwar ist eine lebenslängliche Sperre der Fahrerlaubnis möglich, aber auch an hohe Voraussetzungen geknüpft. Anhand des besprochenen Falls erkennen Sie, dass selbst ein versuchter Mord durch eine herbeigeführte Kollision mit dem eigenen Fahrzeug nicht zwangsweise zu einer lebenslangen Sperre führt, sondern stets die Umstände des Einzelfalls gegeneinander abgewogen werden müssen. Deshalb sollten Sie bzw. ihre anwaltliche Vertretung gute Gründe für eine kurze Sperre vorbringen. Um die Sperrfrist zu verkürzen, muss das Gericht stichhaltige Argumente hierfür erkennen. Hier kann die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung, einer Therapie oder der Besuch von Selbsthilfegruppen helfen.
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