Wer ihn bis dato nicht kannte, kommt spätestens jetzt nicht umher, von Fynn Kliemann und dem „Masken-Vorfall“ zu erfahren. Eine strafrechtliche Einschätzung mit Blick auf die Frage, ob es sich hierbei um Betrug handeln könnte und was dafür bzw. dagegen spricht, lesen Sie hier.
Kliemann ist Content Creator, Youtuber, Allrounder und Geschäftsführer des Online-Shops oderso.cool., dessen Ware von der Textilmanufaktur Global Tactics produziert wird, an der Kliemann ebenfalls beteiligt ist. Im Frühjahr 2020 wurden die Masken knapp und einige Textil-Unternehmen haben sich dazu entschlossen, Mund- Nasen-Bedeckungen herzustellen, so auch die ODERSO GmbH. Nach den Recherchen des ZDF-Magazin Royale, die sich mit den Maskengeschäften von Kliemann und seinem Geschäftspartner Tim Illbruck in ihrer Sendung vom 06.05.2022 auseinandergesetzt haben, sind nun Indizien in Form von Chats, E-Mails und Lieferscheinen ans Licht gekommen, die den Verdacht nahelegen und verhärten, dass die verkauften Masken nicht – wie deklariert und betont – in Europa produziert wurden, sondern in Vietnam und Bangladesch. Doch die Herkunft wurde wohl verschleiert, sowohl vor den Kunden als auch vor Geschäftspartnern.
Der ehemalige Träger des deutschen Nachhaltigkeitspreises, der auch für seine symphytische Authentizität bekannt war, kam nun in Erklärungsnot, da es sich eben nicht um fair produzierte Masken handelt, sondern der Großteil in Asien, mutmaßlich zu Niedriglöhnen, hergestellt wurde.
Ein weiterer Schwindel sei die Tatsache, dass Kliemann angab, die Masken zum Selbstkostenpreis abzugeben, jedoch – wie er selbst zugab – einen hohen Gewinn hiermit erwirtschaftete.
„Das ist doch Betrug!“, diese Aussage lässt sich immer häufiger in den Kommentaren unter den Beiträgen des „Masken-Skandals“ lesen, die Menschen sind zurecht bestürzt. Könnte es sich hierbei wirklich um Betrug nach § 263 StGB handeln? Dies wird abschließend wohl nur die Staatsanwaltschaft bzw. ein Gericht, dem alle Fakten offenliegen, klären können. Aus Sicht des aktuellen Wissenstands könnte das Vorliegen eines Betrugs jedoch nicht ganz so eindeutig sein, wie es auf den ersten Blick scheint:
Der in § 263 StGB geregelte Betrug ist ein Selbstschädigungsdelikt, bei dem sich der Betrogene aufgrund der Täuschung vermeintlich „freiwillig“ den Vermögensnachteil zufügt – anders als bspw. beim Diebstahl.
Der Tatbestand ist an verschiedene Voraussetzungen geknüpft: Zunächst brauch es eine Täuschungshandlung, die einen Irrtum über Tatsachen erzeugt. Die Täuschung ist jede Einwirkung des Täters auf das intellektuelle Vorstellungsbild des Getäuschten, welche objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine Fehlvorstellung über Tatsachen zu erregen oder aufrecht zu erhalten. Diese könnte in der Äußerung liegen, dass alle (!) Masken in Serbien oder Portugal zu fairen Produktionsbedingungen hergestellt wurden. Die Käufer lesen den Hinweis zu dem fairen Ursprung der Masken und gehen dementsprechend irrig davon aus, dass die Maske, die sie kaufen, auch aus eben diesen Ländern stammt.
Mit dieser Aussage wurde auch übrigens kräftig geworben. Dies sei den Geschäftspartnern, bspw. About You, die die Masken vertrieben haben, laut Aussage des Geschäftsführers Tarek Müller nie mitgeteilt worden.
Weiter ist für die Erfüllung des Betrugs die Vermögensverfügung, also ein unmittelbar vermögensminderndes Verhalten des Getäuschten, entscheidend. Dieses liegt im Kauf der Masken aus Bangladesch und Vietnam. Wer die Masken auch im Wissen gekauft hätte, dass diese aus Bangladesch kommen, kann demnach rechtlich kein Opfer eines Betrugs sein. Allerdings wird es einige, wenn nicht sogar den Großteil der Käufer geben, die sich gerade für fair in Europa produzierte Masken interessieren und sie aufgrund dieser Eigenschaft erst oder zumindest auch gekauft haben.
Die letzte Voraussetzung des Tatbestands ist der Vermögensschaden auf Seiten des Käufers. Im vorliegenden Fall haben die Käufer aber etwas für ihr Geld bekommen, also eine Kompensation in Form der Kaufsache erhalten. Ein Vermögensschaden wäre in so einer Konstellation also nur dann zu bejahen, wenn die Masken aus Asien einen objektiv geringeren Wert als deren europäisches Äquivalent hätten.
Hierzu äußert sich bereits der BGH: Der Vermögensschaden sei nur dann bei einer Herkunftstäuschung anzunehmen, wenn die Herkunft tatsächlich ein wertbildender Faktor ist (BGH, Beschl. v. 23.02.1982, Az. 5 StR 685/81). Und genau hierin liegt der Knackpunkt: Bislang gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Qualität der Masken aus Bangladesch schlechter ist als die Masken aus Europa. Jedoch könnte sich der wertbildende Faktor statt auf die Qualität auf die Produktionsbedingungen stützen: Die Masken sollten unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt worden sein. Wie die konkreten Zustände in der asiatischen Produktion aussehen und ob diese Masken zu einem überteuerten Preis verkauft wurden, werden weitere Ermittlungen ergeben.
Es bleibt also abzuwarten, ob spätere Beweise die Annahme eines Vermögensschadens unterstützen oder nicht, denn hiervon hängt letztendlich das Vorliegen eines Betrugs ab. Wenn auch keine strafrechtliche Verurteilung erfolgen sollte, so hat sich Kliemann in den Augen vieler Bürger zumindest moralisch „strafbar“ gemacht.
Auch wenn Sie kein Maskenproduzent sind, könnten Sie sich dennoch dem Vorwurf des Betrugs ausgesetzt sehen. Dann gilt es, schnell und von Anfang an richtig zu handeln: Der Strafrahmen des Betrugs liegt bei einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren, in besonders schweren Fällen sogar bei mindestens sechs Monaten bis zu zehn Jahren Haft.
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