Das Straßenverkehrsrecht soll den Herausforderungen der Moderne angepasst werden, den Umwelt- und Klimaschutz berücksichtigen und den städtebaulichen Entwicklungen flexibel begegnen. Das Kabinett hat am 21. Juni eine Gesetzesänderung im Straßenverkehrsgesetz (StVG) beschlossen, wodurch die Bundesregierung eine Selbstverpflichtung aus dem Koalitionsvertrag umsetzt.
In diesem heißt es auf Seite 52: „Wir werden Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung so anpassen, dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen.“
Eine zentrale Änderung liegt in § 6 StVG. Durch diese Verordnungsermächtigung kann das Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (kurz: BMVD) zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und die Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen Rechtsverordnungen erlassen oder diese ändern. § 6 StVG soll nun durch einen Absatz 4a ergänzt werden, der Rechtsverordnungen auch zur Verbesserung des Umwelt- und Klimaschutzes, zum Schutz der Gesundheit oder zur Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung erlaubt.
Auch soll der Referentenentwurf des BMVD mehr Flexibilität bei der Verkehrs- und Stadtplanung sowie einen weiteren Entscheidungsspielraum für Länder und Kommunen ermöglichen.
Kommunen sollen also insgesamt mehr Freiheit bei der Verkehrsplanung haben und die zuständigen Behörden vor Ort sich bei der Begründung verkehrsrelevanter Maßnahmen auch auf den Klima- und Umweltschutz berufen können.
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nennt als Beispiele aus der Praxis etwa die Einführung von Tempo-30-Regelungen, etwa an Spielplätzen oder Schulwegen, deren Einführung durch die Gesetzesänderung in § 6 StVG mit weniger Begründungsaufwand verbunden wären. Trotz der Vereinfachung soll es jedoch kein flächendeckendes Tempo-30 geben.
Noch unklar ist das Vorgehen für den Fall, dass eine Diskrepanz zwischen Klima- und Umweltschutz auf der einen Seite und die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf der anderen Seite entsteht. Dies führt zur noch nicht beantworteten Frage, welche Aspekte dann überwiegen.
Hintergrund des Reformwunsches ist die bisherige rechtliche Praxis. Ein Exkurs ins Verkehrsrecht: Die behördlichen Befugnisse sind in Rechtsverordnungen wie der StVO geregelt. § 45 Abs. 1 StVO nennt die Beschränkungen des Straßenverkehrs, zu denen Radwege, Fußgängerüberwege und Tempolimits gehören. Die Einführung dieser ist nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 StVO zulässig.
Regelnde Anordnung des Straßenverkehrs sind demnach nur aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs erlaubt; Verkehrszeichen sind wiederum nur dort erlaubt, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Diese strengen Regelungen führen zu teils absurden Ergebnissen in der Praxis, weshalb Verkehrsexperten schon lange die Reform fordern.
Mit der Ergänzung der Verordnungsermächtigung in § 6 StVG wird das angestrebte Ziel wohl nicht zu erreichen sein, vielmehr braucht es auch die Änderung des § 45 StVO. Nur so könnte erreicht werden, dass zur Einführung neuer Zebrastreifen, Radwege und co. keine statistisch belegbare Gefahr mehr erforderlich sein muss. Bislang würde der „neue“ § 6 StVG nur die Auslegung der Straßenverkehrsordnung beeinflussen.
Der Änderung des StVG müssen nun Bundestag und Bundesrat zustimmen. Die Gesetzesänderung soll noch dieses Jahr erfolgen. Wann die StVO angepasst wird, bleibt offen.
Jeder von uns begegnet im täglichen Leben vielen Rechtsgebieten und erlebt ihre Vorschriften und Dynamik. Doch kaum eines ist so präsent wie das Verkehrsrecht; es betrifft uns alle, vom Fußgänger bis zum Autofahrer.
Gerade in Großstädten sind bereits Veränderungen des Verkehrs zum Zwecke der oben genannten Ziele bemerkbar: Breitere Fahrradsteifen, ganze Fahrradzonen und insgesamt etwas weniger Platz für Autos.
Während jeder Verkehrsteilnehmer sich an die jeweiligen Bestimmungen halten sollte, sind kleinere oder größere Verstöße jedoch die Regel. Doch dies bedeutet noch lange nicht, dass Sie sich mit jedem Bußgeldbescheid, den Sie erhalten, abfinden und ihn ohne genauere Prüfung zahlen sollten.
Als auf das Verkehrsrecht spezialisierter Rechtsanwalt kann ich nur betonen, wie wichtig es ist, sich – unter Zuziehung professioneller Hilfe –mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen, insbesondere wenn diese Ihre Mobilität einschränken könnten oder die Zahlung einer nicht unerheblichen Summe im Raum steht.
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