Die „Ampel“-Regierung, bestehend aus der SPD, FPD und Bündnis 90/ die Grünen setzt in ihrem Koalitionsvertrag auch für das Strafrecht auf Neuerungen, wobei der Trend ganz klar in Richtung Modernisierung geht. „Höher, schneller, weiter“ klingt nun eher nach „effizienter, fortschrittlicher, digitaler“.
Während ein „rasches“ Strafverfahren auch als Verfahrensgrundsatz in der Strafprozessordnung in §§ 163 Abs. 2, 121, 407 ff., 417 ff. als sogenannter Beschleunigungsgrundsatz zu finden ist (nach welchem das Straf- und anfängliche Ermittlungsverfahren zügig durchgeführt werden müssen), soll hier von politischer Seite her dennoch nachjustiert werden. So soll es künftig möglich sein, Verhandlungen online durchzuführen, ohne dass alle Parteien an einem Ort zur gleichen Zeit anwesend sein müssen. Mit Blick auf den aktuellen Stand der Digitalisierung in Gerichten kann jedoch davon ausgegangen werden, dass es bis zur Realisierung dieser Vorhaben noch dauern wird.
Ebenso gilt im Strafprozessrecht das Öffentlichkeitsprinzip, welches sicherstellt, dass die Hauptverhandlung (außer beispielsweise in Prozessen, bei denen ein Minderjähriger beteiligt ist) der Öffentlichkeit zugänglich ist. Wie dies bei einem digitalen Prozess gewährleistet wird, bleibt abzuwarten.
Besonders interessant kann die Anpassung von Vernehmungen und der Hauptverhandlung selbst werden: Diese sollen audio-visuell aufgezeichnet werden, was besonders bei Beschuldigtenvernehmungen eine große Rolle spielen wird.
Die Rechte des Beschuldigten werden im Koalitionsvertrag ausdrücklich bekräftigt, so soll die anwaltliche Verteidigung des Beschuldigten bereits mit Beginn der ersten Vernehmung sichergestellt werden. Das Strafrecht ist ultima ratio, wobei der Schwerpunkt (weiterhin) auf der Prävention und der Resozialisierung liegt und nicht auf dem Gedanken der Sanktion allein.
Mehr Transparenz soll eine Art Datenbank schaffen, in der Gerichtsentscheidungen anonymisiert eingespeist und veröffentlicht werden.
Während obiger Begriff schon länger in der (juristischen) Welt umhergeistert, stellt der Koalitionsvertrag eine Liste an Anforderungen bzw. Kriterien vor, denen bestehende Straftatbestände unterzogen werden sollen: Geprüft wird hinsichtlich Wertungswidersprüchen, historische Überholung sowie der Handhabbarkeit.
Dies soll nicht zuletzt auch zur Entlastung der Justiz beitragen.
SPD, FDP und die Grünen wollen laut dem Koalitionsvertrag eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in lizensierten Geschäften zu Genusszwecken einführen.
Dem immer lauter werdenden gesellschaftlichen Ruf nach Abschaffung des § 219a StGB wurde Gehör geschenkt: Das Verbot von Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft wird endgültig aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Ärztinnen und Ärzte, die beispielsweise auf ihrer Website darauf hinweisen, dass in ihrer Praxis Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, welche Möglichkeiten bestehen und dass sie hierzu eine Beratung anbieten, machen sich in der Zukunft hierdurch nicht mehr strafbar und betroffene Frauen haben die Möglichkeit, die Informationsfreiheit (wieder vollumfänglich) zu nutzen.
Einen eigenen Abschnitt widmete der Koalitionsvertrag dem brisanten Thema der organisierten Kriminalität inklusive der sogenannten Clan-Kriminalität. Die neue Bundesregierung will den Kampf gegen die o.K (organisierte Kriminalität) noch vehementer bestreiten und zielt insbesondere auf die Nutzung mehrerer strafrechtlicher Möglichkeiten, unter anderem bei der Vermögensabschöpfung und der Geldwäschebekämpfung, der stärkeren Verankerung des Themas in der Ausbildung bei Sicherheitsbehörden, der besseren Analysefähigkeit und weitergehenden Prävention, ab.
Der Extremismus hat keinen Platz in Deutschland, das bekräftigt auch der Koalitionsvertrag. Rechtsextremismus, Islamismus, Linksextremismus und jede andere Form des Extremismus sollen strenger und besser verfolgt werden, während die Vernetzung nationaler und internationaler Behörden und Datenbanken gestärkt werden muss. In der Aufzählung der verschiedenen extremistischen Ausprägungen wurden auch die „Verschwörungsideologien“ einbezogen, was wohl nicht zuletzt dem Kontext der Pandemie zu entnehmen ist.
Auch verkehrsrechtlich wird es ein Novum geben: Um junge Menschen bereits frühzeitig für die Gefahren im Straßenverkehr zu sensibilisieren und den sicheren Umgang hiermit zu fördern, soll ein begleitetes Fahren nunmehr auch für 16-Jährige möglich sein. Auch sieht der Koalitionsvertrag vor, dass Notbrems- und Abstandsassistenten in Nutzfahrzeugen nicht abgeschaltet werden dürfen.
Es bleibt abzuwarten, wie leicht sich welche angekündigten Änderungen werden umsetzen lassen.