Mit dieser Frage beschäftigte sich nun erstmalig ein Oberlandesgericht (OLG), nachdem unter Amts- und Landesgerichten hierüber keine Einigkeit bestand und die Frage rechtlich unterschiedlich gewürdigt wurde. Das OLG Zweibrücken (Beschl. v. 30.06.2022, Az. 1 OLG 2 Ss 62/21) positionierte sich in der konkreten Frage und bejahte eine mögliche Strafbarkeit wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, § 201 StGB.
Der dem Beschluss zugrunde liegende Fall ereignete sich im Sommer 2020, der noch von strengen Corona-Auflagen und Beschränkungen geprägt war. In den frühen Morgenstunden rief ein Anwohner die Polizei, da sich ganz in der Nähe eine Gruppe Personen aufhielt. Hierdurch kam es zu einem Polizeieinsatz wegen dem Verstoß der damals geltenden Corona-Regeln (die Gruppe bestand aus 20 Personen) sowie dem Verdacht auf Drogenkonsum.
Eine junge Frau, die auch zu der Gruppe gehörte, habe in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht und filmte den Einsatz vierzig Minuten lang mit. Hierbei richtete sie die Kamera überwiegend auf den Boden und teile auch den Beamten mit, keine Porträt-Aufnahmen zu machen. Auf ihrer Tonaufnahme konnten Polizisten, die mit den anderen Beamten und Betroffenen gesprochen haben, sowie die Betroffenen, die miteinander redeten, gehört werden. Die Polizei beschlagnahmte das Handy der jungen Frau wegen des Verdachts der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (normiert in § 201 StGB – Strafgesetzbuch) und der Fall landete vor Gericht.
Das AG Kaiserslautern entschied zuerst über den Sachverhalt und stellte das Verfahren gegen die beschuldigte Frau - zumindest in dieser Sache- ein. Diese wollte jedoch die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahmung des Handys feststellen lassen und zog vor das Oberlandesgericht Zweibrücken (dies ist aufgrund einer sog. Sprungrevision möglich).
Um eine mögliche Rechtswidrigkeit festzustellen, musste zunächst geklärt werden, ob die Polizeibeamten von einer strafbaren Aufnahme haben ausgehen dürfen und ob der Tatbestand des § 201 StGB demnach verwirklicht wurde.
Das OLG entschied, dass das Filmen von Polizeieinsätzen in diesem konkreten Fall durchaus eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes darstellt, die Polizisten also von einer strafbaren Handlung hätten ausgehen können und lehnte daher die Sprungrevision der jungen Frau gegen das Urteil des AG Kaiserslautern als unbegründet ab.
Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein Grundsatzurteil. Daher können andere Gerichte zukünftig durchaus gegenläufig urteilen.
Ob eine Verwirklichung des § 201 StGB bei Polizeieinsätzen anzunehmen ist, ist in der Rechtswissenschaft umstritten, da eine leitende Grundsatzentscheidung noch aussteht. Grundsätzlich schützt § 201 StGB die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes; bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe treffen denjenigen, welcher das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt.
Die Entscheidung des OLG trifft vermehrt auf Kritik, vor allem hinsichtlich der großzügigen Auslegung des Begriffes „nichtöffentlich“.
Aus Sicht des OLG Zweibrücken war der Polizeieinsatz gar nicht „so öffentlich“: Dieser fand um 3 Uhr nachts in einem durchaus „begrenzten Bereich“ statt, weshalb aus Sicht der Sprechenden nicht davon auszugehen war, dass noch andere Personen, außer denen vor Ort, die Gespräche mithören können und eine konkrete Wahrnehmung des Gesagten durch andere möglich gewesen war.
Auf die Tatsache, dass der Polizeieinsatz erst durch den Anruf eines Anwohner initiiert wurde, der dementsprechend in der Lage war, die Personen zu hören, wurde vom OLG nicht näher eingegangen.
Das OLG stellte überdies fest, dass allein wegen schlechter Erfahrung keine Beweisnot vorliege: Die junge Frau gab an, dass sie aufgrund persönlicher Erfahrungen in der Vergangenheit den Einsatz mitgeschnitten habe. Allerdings bräuchte es nach dem OLG auch konkrete Anhaltspunkte für ein rechtwidriges Verhalten der Polizei, die eigene – schlechte – Erfahrung genüge wiederum nicht.
Schließlich sollte ein Blick auf § 201a StGB, einen Nachbarparagrafen, geworfen werden: Hiernach sind Filmaufnahmen nur dann strafbar, wenn sie in eine Wohnung oder einen sonst geschützten Raum eindringen. Filmaufnahmen in der Öffentlichkeit sind zunächst strafrechtlich nicht relevant (zivilrechtlich wiederum schon, wenn sie das Persönlichkeitsrecht verletzen). Dies führt unweigerlich zum Gedanken eines Wertungswiderspruchs: Weshalb sollten Tonaufnahmen in der Öffentlichkeit strenger – oder überhaupt - bestraft werden als Filmaufnahmen in öffentlichen Bereichen?
Es bleibt abzuwarten, wie sich andere Gerichte in der Zukunft positionieren und ob die Frage nach der Strafbarkeit der (Ton-) Aufnahme von Polizeieinsätzen final in einem Grundsatzurteil entschieden wird.
Wenn Sie mit dem Vorwurf konfrontiert werden, sich in einer ähnlichen Konstellation nach § 201 StGB strafbar gemacht zu haben, sollten Sie sich hierzu keinesfalls ohne anwaltlichen Rat einlassen.
Ob noch vor oder nach der Anklageerhebung: Lassen Sie sich schnellstmöglich von einem auf das Strafrecht spezialisierten Anwalt vertreten. Wir stehen Ihnen in allen Verfahrensstadien zur Seite und machen uns für Ihre Rechte stark!
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