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Rechtsanwalt Laqmani
26. Juni 2023

Juwelen und ein Deal – Die Verständigung im Strafprozess 

Ein spektakulärer Diebstahl, Diebesgut in Millionenhöhe, ein Deal vor Gericht – Was wie der Inhalt eines Blockbusters klingt, hat sich in Dresden vor nunmehr über drei Jahren ereignet: Der Juwelendiebstahl aus dem Historischen Grünen Gewölbe sorgte für Furore, nun erging das Urteil. 

Das ist geschehen

Die Angeklagten – und nun Verurteilten – sind Mitglieder der Berliner Remmo-Großfamilie und begingen am 25. November 2019 wohl einen der aufsehenerregendsten Kunstdiebstähle der jüngsten Zeit. Aus dem berühmten Schatzkammermuseum entnahmen sie 21 Schmuckstücke, bestehend aus Diamanten und Brillanten, im Gesamtwert von 116,8 Millionen Euro. Die Täter drangen durch ein zuvor präpariertes Fenster in das Residenzschloss ein und schlugen dort mit Äxten Löcher in die Vitrine, aus der sie die Gegenstände entnahmen. 

Neben dem eigentlichen Diebstahl verursachten sie außerdem einen Schaden in Millionenhöhe. Vor dem Einbruch in das Museum setzten sie einen Stromverteilerkasten in der Altstadt, später ein Fluchtauto in Brand, welches sich in der Tiefgarage eines Wohnhauses befand. 

Freiheitsstrafen und ein Freispruch

Das Landgericht Dresden fällte nach über einem Jahr Prozess am 16. Mai das Urteil: 

Fünf der sechs Angeklagten, alle in ihren Zwanzigern, wurden der besonders schweren Brandstiftung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Diebstahl mit Waffen, Sachbeschädigung und vorsätzlichen Brandstiftung schuldig gesprochen. Einer der Angeklagten wurde freigesprochen, da er zum Tatzeitpunkt ein Alibi nachweisen konnte (dieser sitzt allerdings aktuell wegen des Diebstahls der Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum in Haft).

Die Übrigen erhielten Haftstrafen von fünf Jahren und zehn Monaten, sechs Jahren und drei Monaten und sechs Jahren und zwei Monaten. Ein weiterer Angeklagter wurde nach dem Jugendgesetz verurteilt und erhielt vier Jahre und vier Monate Jugendstrafe. Ein Mitangeklagter, welcher bis heute seine Mittäterschaft am Diebstahl dementiert, wurde zu fünf Jahren Jugendstrafe verurteilt. 

Alle zu Haftstrafen verurteilten haben sich zuvor mit dem Gericht verständigt – bei drei von ihnen wurde der Haftbefehl unter Auflagen ausgesetzt, wodurch sie erst dann wieder „hinter Gitter“ müssen, wenn das Urteil rechtskräftig ist.

Des Weiteren müssen sie für die verursachten Beschädigungen aufkommen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftigt, alle fünf zu Haftstrafen verurteilten wollen in Revision gehen. 

Deal im Prozess

Für noch mehr Medieninteresse sorgte ein „Deal“ zwischen der Staatsanwaltschaft, dem Gericht und den Angeklagten. Diese wurden nach einigen Monaten bei Razzien in Berlin nacheinander gefasst und befanden sich bis zum Prozessbeginn in Untersuchungshaft. 

Als – passend  kurz vor Weihnachten – im Dezember 2022 die meisten der gestohlenen Juwelen zurückgegeben wurden, erging die o.g. Verständigung,  welche in der Presse überwiegend „Deal“ genannt wurde. Die Rückgabe wurde durch einen Verteidiger der Angeklagten durchgeführt, jedoch weniger umfangreich als ursprünglich erwartet. Tatsächlich seien viele Stücke aufgrund der fehlerhaften Lagerung und Versuche, diese zu reinigen, beschädigt worden. 

Die konkrete Absprache sah wie folgt aus: Die Angeklagten sollten sich zu dem Tatgeschehen und ihren Tatbeiträgen einlassen, im Gegenzug sollte das Gericht einen zu erwartenden Strafrahmen in Aussicht stellen, der nicht überschritten werden würde. 

Vier der Angeklagten stimmten dieser Absprache zu und legten über ihre Verteidiger Geständnisse ab. In diesem Zuge gab auch ein weiterer Angeklagte seine Beihilfehandlungen (Besorgung von Gegenständen, mit denen sich Zugang zu der Vitrine des Museums verschafft wurde) zu. Aufgrund des Zustands der Diebesbeute wurde der Strafrahmen jedoch nach oben korrigiert.

Auch forderte die Verteidigung eine Strafmilderung aufgrund der Aufklärungshilfe und verwies darauf, dass die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen des Gefängnisses den Diebstahl jedenfalls begünstigt hätten.

Während dieses Vorgehen medial weitestgehend verurteilt wurde, beurteilen Rechtswissenschaftler wie der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Thomas Fischer die strafmildernde Berücksichtigung der freiwilligen Rückgabe besonders wertvoller Beute weder als skandalös noch als Verrat rechtsstaatlicher oder moralischer Prinzipien. Vielmehr sei der Straferlass verfassungsrechtlich geboten. 

Gibt es den "Deal" in Deutschland?

Jaein. Einen Deal, wie aus einschlägigen, US-amerikanischen Serien bekannt, gibt es in Deutschland nicht. Allerdings hat im Jahr 2009 die sogenannte „Verständigung“ ihren Weg in die Strafprozessordnung gefunden.

Die Verständigung ist gesetzlich in § 257c StPO geregelt und soll eine gegenseitige Bindung des Beschuldigten bzw. Angeklagten und des Gerichts bewirken und ein bestimmtes Prozessverhalten des Angeklagten sicherstellen.

Wie auch im vorliegenden Fall sind ein (Teil-) Geständnis oder etwa der Verzicht auf (weitere) Beweiserhebungen oder Anträgen regelmäßig Gegenstand des „Deals“. Dies entlastet das Gericht bzw. die Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde und kann dazu führen, dass ein ansonsten langwieriger Prozess abgekürzt wird. Das Gericht sichert im Gegenzug einen Strafrahmen zu, welcher nicht überschritten wird, soweit sich der Beschuldigte an seinen Teil der Abmachung hält, die Voraussetzungen also erfüllt. Es darf sich jedoch nicht auf eine sogenannte Punktstrafe, also eine genaue Strafhöhe, verständigt werden.

Auch ist es unzulässig, Gesamtlösungen zu vereinbaren, bei denen die Staatsanwaltschaft die Einstellung anderer Ermittlungsverfahren zusagt. Gleiches gilt für den Schuldspruch an sich sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung.

Letztlich dürfen Angeklagter bzw. Beschuldigter und Gericht nicht über den Sachverhalt an sich und das Vorliegen von qualifizierenden Merkmalen absprechen. Solche Merkmale sind etwa das Beisichführen einer Waffe beim Diebstahl (vgl. § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB) aber auch die Bandeneigenschaft (vgl. § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB). 

Auch die Praxis der Straferleichterung bei einem „Entgegenkommen“ des Täters ist nicht neu: § 46 Abs. 2 StGB regelt, dass das Bemühen des Täters, den verursachten Schaden wiedergutzumachen, bei der Strafzumessung berücksichtigt werden kann.

Lohnt sich die Verständigung für den Angeklagten?

Diese Frage lässt sich – glücklicherweise – nicht pauschal mit „ja“ oder „nein“ beantworten. So kann für einen Beschuldigten, für dessen Tatbeitrag die Staatsanwaltschaft keine konkreten oder belastbaren Beweise ermitteln konnte, eine ausführliche Einlassung mit dem Angebot einer Strafmilderung ein sehr schlechter Deal sein. Für einen Angeklagten, dessen Schuld das Gericht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird feststellen können, kann eine Verständigung wiederum die bessere Alternative sein.

In jedem Fall muss eine sorgfältige Abwägung und Beratung mit einem auf das Strafrecht spezialisiertem Anwalt der Zustimmung zu einem „Deal“ vorausgehen. Das (Straf-) Recht hält in seinen Tatbeständen eine Vielzahl von Herausforderungen für den Laien bereit, der sich – überspitzt formuliert –mit jedem falschen Wort einen Monat länger in Haft katapultieren kann. Daher ist es stets ratsam, zunächst zu allen Vorwürfen zu schweigen und sich mit seinem Verteidiger umgehend über das weitere Vorgehen abzusprechen.

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