Vor dem Verwaltungsgericht Berlin klagte eine Muslima, die beim Autofahren ihren Niqab tragen will. Das VG gewichtete die Religionsfreiheit der Frau jedoch weniger schwer als sie selbst und versagte ihr eine Ausnahmegenehmigung für das Tragen des Gesichtsschleiers.
Eine 33-jährige Muslima hat vor dem Verwaltungsgericht Berlin um eine Ausnahmegenehmigung gekämpft, die ihr das Autofahren mit einem Niqab ermöglichen würde. Dieser bedeckt, mit Ausnahme eines Sehschlitzes, das gesamte Gesicht.
Die Klage wurde abgewiesen und das VG bestätigte die Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde (Urt. v. 27.01.2025, Az. VG 11 K 61/24), eine Ausnahmegenehmigung zu versagen. Die Vorsitzende Richterin hatte das persönliche Erscheinen der Klägerin zur mündlichen Verhandlung angeordnet, deren Identität sie – abgeschirmt von den Blicken Dritter – im Nebenraum überprüfte.
Die Klägerin berief sich vor Gericht auf die Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz: Sie sieht sich in ihren Grundrechten verletzte, das Tragen des Niqabs sei nämlich Ausdruck ihrer religiösen Überzeugung. Die Mutter von drei Kindern wolle selbst entschieden, wer was von ihr sehen kann. 2016 ist sie nach eigenen Angaben zum Islam konvertiert und auf das Auto angewiesen, um beispielsweise auf die Arbeit zu fahren.
Zu den Hintergründen: § 23 Abs. 4 S. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) regelt, dass der Lenker eines Kraftfahrzeugs sein Gesicht nicht verhüllen oder verdecken darf; er muss also erkennbar bleiben. In Ausnahmefällen kann die Straßenverkehrsbehörde von diesem Grundsatz jedoch abweichen. Gem. § 46 Abs. 2 S. 1 StVO ist dies jedoch nur „für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller“ möglich.
Das Gericht sah allerdings keinen Grund dafür, dass die Straßenverkehrsbehörde im vorliegenden Fall die Ausnahmeregelung hätte nutzen müssen. Schließlich gewährleiste das Verhüllungsverbot aus § 23 Abs. 4 S. 1 StVO eine effektive Verfolgung von Verstößen im Straßenverkehr, indem es die Identifizierung des Fahrers ermögliche (etwa auch im Rahmen automatisierter Verkehrskontrollen). Das Gericht führte aus, dass das Verbot außerdem dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit diene, da Autofahrer damit rechnen müssten, bei Verstößen entsprechend (straf-) rechtlich verfolgt zu werden. Zwar stelle das Verhüllungsverbot auch einen Eingriff in die Religionsfreiheit dar, der jedoch bei einer Abwägung beider Interessen weniger schwer wiege.
Dagegen argumentierte der Anwalt der Klägerin, dass auch die Gesichter von Motorradfahrern durch die Helmpflicht verdeckt seien und es „keinen Sinn“ ergebe, beim Führen eines PKWs andere Maßstäbe anzulegen. Das Gericht blieb von der Ausführung jedoch unbeeindruckt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftigt, der Anwalt der 33-Jährigen kündigte an, Rechtsmittel prüfen zu wollen. Als nächste Instanz wäre das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zuständig, das jedoch zunächst eine Berufung zulassen müsste.
Der Niqab trat bereits öfter als Streitgegenstand vor Gericht auf, wir berichteten über zuvor ergangene Entscheidungen, in deren sich das vorgestellte Urteil einreiht. Es bleibt fraglich, ob es je zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für das Tragen eines Niqabs hinter dem Steuer kommen wird.