Straftatbestände, bei deren Begehung Kinder zu Schaden kommen, sind ein sensibles und hochemotionales Thema; in den letzten Jahren und Jahrzehnten wurde vermehrt von der Politik die Erhöhung der Strafen und ein härteres Durchgreifen gefordert, wenn es um den Schutz von Kindern geht. Ein legitimes und nachvollziehbares Verlangen, worauf die GroKo in ihrer letzten Wahlperiode mit der Höherstufung vieler Tatbestande zu Verbrechen reagierte – und damit eine Welle der Kritik auslöste. Der Vorwurf: Die Falschen werden zu Tätern.
Die Gesetzesänderung innerhalb des „Reformpakets zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder“ trat am 01.07.2021 in Kraft: Eine Reihe von Straftatbeständen wurden hinsichtlich ihrer Sanktionen verschärft. Im Fokus der Kritik und dieses Beitrags steht der § 184b StGB, der das Verbreiten, den Erwerb und den Besitz kinderpornographischer Inhalte unter Strafe stellt.
§ 184b StGB galt bislang als Vergehen und ist nunmehr in all seinen Tatvarianten zu einem Verbrechen geworden. Einen minder schweren Fall gibt es nicht mehr.
Der Unterschied? Der Strafrahmen von Verbrechen beginnt bei mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe, während Vergehen auch mit einer Geldstrafe bestraft werden können.
In der Praxis bedeutet die Höherstufung konkret, dass das Verhängen einer Geldstrafe oder die Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit, ggf. gegen Auflagen, nicht mehr möglich ist.
Nach § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB zählen solche Inhalte zur Kinderpornographie, die zum einen in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind oder auch unabhängig von einer Speicherung mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden und folgendes zum Gegenstand haben: Sexuelle Handlungen von, an oder vor einem Kind (also einer Person unter 14 Jahren), die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes
Während die Strafverschärfung zunächst als Schritt in die richtige Richtung erscheint, wird bei kritischen Auseinandersetzung und mit Blick auf die Realität deutlich, dass durch die Hochstufung zum Verbrechen das Risiko besteht (und sich im Übrigen schon realisiert hat), dass involvierte Dritte, die ohne einen pädosexuellen Bezug handeln und denen es eben nicht auf den inkriminierten Inhalt selbst ankommt, in die Mühlen der Strafverfolgung geraten und diese keine Möglichkeit hat, dem durch eigenes Ermessen entgegenzuwirken.
Ein Beispiel: Eltern können sich nun strafbar machen, wenn sie Fotos mit entsprechenden Inhalten auf den Handys ihrer Kinder finden und diese an sich selbst und/oder Dritte, wie etwa andere Eltern oder Lehrer weiterschicken, um hierüber aufzuklären oder den Sachverhalt zu prüfen/ Maßnahmen zu besprechen. Gleiches gilt für Lehrer oder Mitglieder anderer Berufe, die in ähnlicher Weise mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und mit solchen Sachverhalten konfrontiert werden. Erhalten die besagten Personen ein solches Bild und löschen dieses nicht augenblicklich, um wie gesagt Nachforschungen anzustellen oder sich mit anderen Eltern oder Mitarbeitern zu beraten, machen sie sich regelmäßig strafbar.
Ein anderes, denkbares Szenario: Eine 22-Jährige küsst einen 13-jährigen - einen Tag bevor dieser 14 wird - als „Geburtstagsgeschenk“ auf den Mund. Der Kuss wird auf einem Foto festgehalten. Dies mag man für befremdlich halten, aber soll der Besitz und das Verbreiten dieses Fotos (etwa durch Weiterleiten an eine WhatsApp-Gruppe, in der die Fotos von der Geburtstagsfeier geteilt werden) mit einem Jahr Freiheitsstrafe sanktioniert werden? Löschen die Empfänger das Foto nicht augenblicklich, so erfüllen diese und derjenige, der das Foto geschossen hat, den Straftatbestand des § 184b StGB.
Selbst Belästigungsopfer, denen ein solches Bild unfreiwillig auf ihr Handy geschickt wird, droht nun die Strafverfolgung, wenn sie dieses nicht rechtzeitig löschen.
Diese Beispiele mögen sich konstruiert anhören, sind aber in dieser oder ähnlicher Form im vergangenen Jahr Realität geworden. Dies kann im Ergebnis nicht richtig sein. Genau für solche Fälle braucht es daher Einstellungsmöglichkeiten und minder schwere Fälle des § 184b StGB – die durch die Strafverschärfung jedoch entfielen. In der Vergangenheit wurden Verfahren, denen ähnlich gelagerte Fälle zugrunde lagen, in der Regel ggf. gegen Auflagen eingestellt.
Ein weiterer Kritikpunkt des § 184b StGB in seiner Neufassung liegt in der Gleichbehandlung hinsichtlich der Mindeststrafandrohung von einerseits vielzähliger Zurverfügungstellung von Dateien mit kinderpornographischem Inhalt an eine unbekannte und uneingeschränkte Personenanzahl und andererseits den Aufruf eines Bildes, auf dem ein Kind in einer unnatürlich geschlechtsbezogenen Körperhaltung zu sehen ist.
Bereits vor Inkrafttreten der Verschärfung wurde Kritik hieran laut – etwa bei einer Sachverständigen-Anhörung im Bundestag. Unter Strafverteidigern, Strafverfolgern und Richtern besteht Einigkeit (was – mit Verlaub – nicht allzu häufig vorkommt):
Sowohl der Deutsche Anwaltsverein (DAV) als auch der Deutsche Richterbund (DRB) erkennen das Risiko der Aufstufung der Straftatbestände zu Verbrechen sowie der Abschaffung der minder schweren Fälle und warnen vor den Konsequenzen in der (Rechts-) Realität.
Die Entschärfung des § 184b StGB war Gegenstand auf der diesjährigen Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister (JuMiKo) in Berlin:
Die Landesjustizministerinnen und -minister haben sich mehrheitlich für eine teilweise Rückgängigmachung der Strafverschärfung im Bereich der Kinderpornografie ausgesprochen. Sie forderten Bundesjustizminister Marco Buschmann auf, § 184b StGB zum Vergehen herabzustufen oder einen minder schweren Fall einzuführen.
Ob es zu einer (erneuten) Gesetzesänderung kommt, bleibt abzuwarten.
Wenn Sie mit dem Vorwurf des Besitzes von Kinderpornografie oder ähnlichen Tathandlungen konfrontiert werden, ist es von zentraler Wichtigkeit, möglichst von Anfang an richtig und überlegt zu handeln.
Das bedeutet konkret, sich nicht zu dem Vorwurf zu äußern und nichts einzuräumen, sondern schnellstmöglich einen im Strafrecht spezialisierten Anwalt zu kontaktieren.
Wird bei Ihnen eine Hausdurchsuchung durchgeführt, so sollten Sie zunächst Ruhe bewahren, nicht aktiv mitwirken, aber die Durchsuchung auch nicht behindern. Werden Sie nach Passwörtern ihrer Festplatten oder ihres PCs/Handys gefragt, müssen Sie diese nicht preisgeben. Auch sollten Sie einer Sicherstellung von Gegenständen widersprechen.
Rufen Sie auch hier umgehend einen Anwalt an, der Ihnen im Zweifel weitere Anweisungen gibt.