Fahrerflucht, womit der Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 StGB gemeint wird, ist eine ernstzunehmende Straftat, die an das Verhalten des Beteiligten hohe Ansprüche knüpft.
Was dieser Tatbestand genau regelt und wie Sie sich richtig verhalten, lesen Sie in diesem Beitrag.
§ 142 StGB regelt die Pflichten eines Beteiligten, nachdem ein Unfall geschehen ist:
Strafbar macht sich nach dem ersten Absatz also, wer sich vom Unfallort entfernt, bevor er entweder die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und seiner Art der Beteiligung durch entsprechende Angaben an feststellungsbereite Personen oder die eigene Anwesenheit ermöglicht oder bevor er nach einer den Umständen nach angemessene Zeit auf feststellungsbereite Personen gewartet hat.
Wer sich zwar berechtigt, entschuldigt oder nach Ablauf der angemessenen Wartefirst erst entfernt, die Feststellung aber nicht unverzüglich nachholt, macht sich ebenfalls strafbar (§ 142 Abs. 2 StGB).
Der dritte Absatz der Norm regelt, wann ein Unfallbeteiligter seiner Pflicht, die Feststellung nachträglich zu ermöglichen, genüge getan hat: Dieser muss einem Berechtigten (also den anderen Unfallbeteiligten und/oder Geschädigten) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilen, an einem Unfall beteiligt gewesen zu sein.
Die Wartezeit richtet sich regelmäßig nach der Zumutbarkeit für den Unfallbeteiligten und dem Schaden. Faktoren, die die Länge der Wartezeit beeinflussen, sind beispielsweise die Schwere des Unfalls, die Tageszeit, Witterungsverhältnisse und ob bzw. wann mit feststellungsbereiten Personen zu rechnen ist. Außerdem kann die geschätzte Höhe des Schadens zur Orientierung dienen.
Regelmäßig wird eine Wartezeit von 30-45 Minuten empfohlen, wobei es hier stark auf den Einzelfall ankommt.
Wer zu einem Termin muss und eine Visitenkarte hinterlässt, irrt in der Annahme, dass so die Wartezeit umgangen werden kann.
Übrigens: § 142 verlangt von einem Unfallbeteiligten, Feststellung zu ermöglichen und durchbricht hierdurch – wenn der Unfallbeteiligte eine Straftat begangen hat - den sog. nemo-tenetur (se ipsum accusare)-Grundsatz.
Dieser besagt, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst anzuklagen. In der Praxis heißt dies, dass weder ein Angeklagter, Beschuldigter noch Zeuge eine Aussage machen muss, die ihn selbst belasten würde. Daher ist § 142 StGB eine nicht ganz unproblematische Norm, deren Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz bereits zum Gegenstand des Bundesverfassungsgerichts wurde.
Dieses brachte jedoch an, dass das Interesse eines Unfallverursachers an einer straflosen Selbstbegünstigung in Anbetracht der Gefahren des Massenverkehrs auf öffentlichen Straßen hinter das Interesse anderer Verkehrsteilnehmer treten musss.
Täter des § 142 StGB kann nur ein Unfallbeteiligter sein. Wer Unfallbeteiligter ist, wird in § 142 Abs. 5 StGB legaldefiniert: Hierbei handelt es sich um alle Personen, deren Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.
Täter kann also beispielweise nicht nur der Fahrer selbst, sondern auch sein Beifahrer oder ein Inlineskater sein, wenn dieser durch ein irgendwie geartetes Verhalten einen Beitrag zum Unfallgeschehen geleitest hat.
Es genügt die nicht ganz unbegründete, aus dem äußeren Anschein der Unfallsituation zu folgernde Möglichkeit einer (Mit-) Verursachung. § 142 StGB besagt als Sonderdelikt also, dass es keine Mittäter oder mittelbaren Täter neben dem „Haupt“-Täter, also dem Unfallbeteiligten selbst, geben kann.
Während man meinen könnte, dass § 142 StGB eingeführt wurde, um den Straßenverkehr oder das Strafverfolgungsinteresse zu schützen, liegt der tatsächliche Hintergedanke des Tatbestands darin, die privaten Interessen der Unfallbeteiligten zu wahren: Diese haben in aller Regel einen zivilrechtlichen Ersatzanspruch, der sich allerdings nur dann durchsetzen lässt, wenn es einen Anspruchsgegner gibt.
Ist der jedoch nicht auffindbar und unbekannt, kann keine umfassende Aufklärung des Unfallhergangs geschehen und ein Beweisverlust ist zu befürchten. Gleiches gilt, um Ansprüche des jeweils anderen Unfallbeteiligten gegen sich selbst abzuwehren.
Auf das tatsächliche Bestehen der Schadensersatzansprüche kommt es nicht an: § 142 StGB ist daher ein abstraktes Gefährdungsdelikt.
Die Strafe für das unerlaubte Entfernen vom Unfallort reicht von einer Geldstrafe bis hin zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Daneben kann auch ein Entzug der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB sowie eine Sperrfrist zur Neuerteilung des Führerscheins folgen.
Im vierten Absatz des § 142 StGB sieht die Norm vor, dass die Gerichte die Strafe für das in den Absätzen 1 und 2 genannte Verhalten nach § 49 Abs. 1 StGB mildern oder ganz von der Strafe absehen können, wenn der Unfallbeteiligte nachträglich binnen 24 Stunden freiwillig die Feststellung ermöglicht.
Dies gilt jedoch nur für solche Unfälle, die sich außerhalb des fließenden Verkehrs zugetragen haben und bei denen ein nicht bedeutsamer Sachschaden entstand. Die Erheblichkeitsgrenze liegt hier bei 800 € bis zu 1000 €. Dieser Betrag ist bei Schäden an einem Kfz regelmäßig schnell überschritten.
Der Tatbestand des § 142 StGB ist auch dann ausgeschlossen, wenn alle Berechtigten, also Geschädigte und andere Unfallbeteiligte, mutmaßlich auf die Feststellung verzichten. Dies kann beispielsweise vorkommen, wenn sich die Beteiligten nahestehen, Familienmitglieder oder Freunde sind. Verzichten die Berechtigten allerdings nur aufgrund von Gewalt, Drohung oder Täuschung, ist dieser Verzicht unwirksam.
Wenn der am Unfall beteiligte Fahrer gar nicht erst gemerkt hat, dass er einen Unfall gebaut hat, weil er beispielsweise während des Ausparkens leicht an ein anderes Auto gestoßen ist, und daraufhin seine Autofahrt weiterführt, hat sich dieser „nur“ unvorsätzlich vom Unfallort entfernt. Dies sei nicht vom Tatbestand der Norm erfasst, so auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG – 2 BvR 2273/06).
Erlangt der Täter aber zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis vom Unfall, so treffen ihn erneut die Pflichten aus § 142 StGB, in diesem Fall also das unverzügliche Nachholen der Feststellung.
Halten wir also fest, dass Sie als Unfallbeteiligter auf jeden Fall auf die Polizei warten und/oder die Angaben zu Ihrer Person und ihrer Beteiligung den anderen Beteiligten oder Geschädigten offenlegen sollten, um nicht von der Strafe des § 142 StGB getroffen zu werden.
Es gibt allerding verschiedene Konstellationen, in denen beispielsweise die tatsächliche Länge der einzuhaltenden Wartezeit umstritten ist oder Sie sich etwa vorsatzlos vom Unfallgeschehen entfernt haben.