Wird ein Unfallgeschehen Gegenstand einer Gerichtsverhandlung kann auch der Verdacht aufkommen, dass dieser Unfall – regelmäßig aus finanziellem Interesse – fingiert wurde. Mit der Frage, ob sich ein Unfall so wie beschrieben zugetragen hat, beschäftigte sich auch das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig in seiner Entscheidung vom 12. Oktober 2022 (Az. 7 U 62/22).
In dem zugrundeliegenden Fall verlangte der Kläger Schadensersatz wegen eines Unfalls: Das Auto des Klägers (eine Mercedes S-Klasse) befand sich auf einem Supermarktparkplatz, als es dort von einem anderen Pkw (einem Mercedes Vito) gestoßen wurde. Aufgrund der Bodenglätte habe sich der Unfall seitens des Vito-Fahrers beim Einparkversuch zugetragen, so der Kläger. Anschließend sei dieser wieder aus der Parklücke herausgefahren und dabei erneut an das klägerische Fahrzeug gestoßen. Der Schaden belief sich auf rund 9.700 Euro, welche der Kläger von seiner Versicherung ersetzt verlangte. Doch diese verweigerte die Zahlung, der Unfall sei manipuliert – der Sachverhalt landete vor dem Landgericht (LG)
Das LG ging nach der Beweisaufnahme, in welcher auch ein schriftliches Sachverständigengutachten herangezogen wurde, davon aus, dass die Beschädigung des Fahrzeugs nicht durch einen Unfall „im Rechtssinne“ (also ein plötzliches, von außen kommendes Ereignis) entstand, sondern es sich um ein verabredetes Geschehen gehandelt hat. Die Klage wurde daher abgewiesen, wogegen sich der Kläger mit einer Berufung wandte.
Doch auch das Oberlandesgericht war davon überzeugt, dass sich der „Unfall“ so nicht zugetragen hat, sondern eine Fingierung vorliegt, die dem Kläger einen entsprechenden Gewinn bringen sollte. Es gab weder Zeugen, noch schien der Schaden des Wagens mit der Geschichte des Klägers übereinzustimmen. Auch die Unfallanalyse ergab, dass der Fahrer des Vitos bewusst nach der Kollision weitergefahren sein muss, damit der langgezogene Schaden an der S-Klasse entstehen hätte können. Ein von den Beteiligten behauptetes „Ausrutschen“ infolge der Glätte sei mit dem Schadensbild am Fahrzeug nicht in Einklang zu bringen.
Das OLG spricht in seinem Urteil von einer „geradezu klassische(n) Konstellation für ein manipuliertes Unfallgeschehen“- doch was ist hiermit gemeint?
Indizien, die regelmäßig für eine Unfallmanipulation sprechen, liegen etwa in dem Fehlen von Zeugen, „Unfällen“ auf Parkplätzen und Schäden, die sich über die ganze Länge des Fahrzeugs erstrecken.
Auch ein „Unfall“ zur Nachtzeit in eher ruhigeren Verkehrszonen oder abgelegenen Industriegebieten lässt viele Gerichten aufhorchen; gleiches gilt für „Unfallverursacher“, die unbekannt und/oder unbenannt bleiben. Hat das Fahrzeug bereits einschlägige Vorschäden oder eine hohe Laufleistung, kann dies auch für ein Interesse des angeblichen Anspruchsinhabers sprechen, die Schäden anderweitig, etwa durch die Zahlung einer Versicherungssumme, ersetzt zu bekommen.
Aber Vorsicht: Diese Begleitumstände können auch genauso bei einem echten, nicht manipulierten Unfall vorkommen.
Grundsätzlich muss das urteilende Gericht bei einer lebensnahen Gesamtschau der Indizien davon überzeugt sein, dass es sich um einen fingierten Unfall handelt. Die lückenlose, mathematische Gewissheit ist an dieser Stelle jedoch nicht notwendig.
Weigert sich etwa die Versicherung, nach einem Unfall den Schaden auszugleichen und steht der Vorwurf im Raum, der Unfall sei fingiert, so sollten möglichst viele und starke Indizien vorgebracht werden, die für das Unfallgeschehen im behaupteten Sinne sprechen.
Wir als Kanzlei, die sich auf das Verkehrsrecht spezialisiert hat, können bei rechtzeitiger Hinzuziehung in vielen Fällen den Sachverhalt bereits vor einem Gang in die Hauptverhandlung zu Ihren Gunsten lösen.